Archiv für den Monat: November 2014

Internet

Es heisst immer wieder, dass Computer und Internet einsam machen. Es gäbe Menschen, die nur noch vor dem Computer sitzen würden und keine persönlichen Kontakte mehr pflegten. Solche Menschen mag es wohl geben. Doch ich wage zu behaupten, dass Christian und ich durch Internet mehr persönliche Kontakte gefunden als verloren haben. Ein besonders lustiges Beispiel möchte ich nun erzählen.

Christian hat sich schon in den Neunzigerjahren eine eigene Website zusammengebastelt. Weil er damals auch mit Begeisterung Romanisch lernte, entwarf er sie auch in Romanisch. Verner Solèr, ein Heimweh-Bündner aus dem Lugnez, lebte und arbeitete in Los Angeles. Voller Freude entdeckte er romanische Worte von Christian im World Wide Web. Er nahm sogleich Kontakt auf, und die beiden schrieben sich ab und zu ein paar Worte in Romanisch. Als Verner wieder einmal im Lugnez in den Ferien war, verabredeten wir uns, lernten auch seine Eltern und das schöne Dorf Vrin kennen. Im Jahre 1998 machten wir dann eine USA-Reise und besuchten Verner in Los Angeles. Der Kontakt wäre schon längst abgerissen, gäbe es nicht das Internet. Auf Facebook erfuhren wir, dass Verner eine Foto-Ausstellung in Winterthur vorbereitet.

Am letzten Freitag waren wir an der Vernissage von „Bilder eines Emigranten“ und sind ganz begeistert. Wir möchten die Ausstellung sehr empfehlen:

14. November – 13. Dezember 2014 in Kunst im Bauhof, Steinberggasse 61, 8400 Winterthur, Freitag 10-12 und 17-19 Uhr und Samstag 11-15 Uhr geöffnet, weitere Informationen unter www.kunst.bauhof.ch. Eine interessantes Interview mit Verner kann man  hier anhören.

An der Finissage am 13. Dezember 2014 gibt es eine Lesung mit seiner Schwester Pia Solèr aus ihrem Buch „die Weite fühlen, Aufzeichnungen einer Hirtin“, um 13.30 Uhr. Ich habe das kleine Büchlein in meiner Lieblingsbuchhandlung und Papeterie Maggi in Ilanz entdeckt. Es hat mich sehr angesprochen und ich möchte einen Abschnitt daraus zitieren:
„Mein Bruder wohnt in Los Angeles. Er meinte einmal, du vereinsamst ja, wenn du so viel alleine bist! Ich war damals bei ihm zu Besuch und sagte, hier in Los Angeles, wo man die Nachbarn nicht kennt und die Kriminalität spürt, hier würde ich vereinsamen. Bellt ein Hund um Mitternacht, höre ich einen Knall, und das Gebell verstummt. Mir bleibt das Herz stehen, mein Bruder empfindet das als normal. Wenn man dort lebt, muss man das so auffassen, sonst geht man wahrscheinlich kaputt.
Die Einsamkeit auf der Alp ist ganz anders, ich bin ja nie alleine, die Hunde sind immer bei mir und rundum sind Tiere, Elfen und Feen. Aber auch hier braucht es Stärke, um mit allem fertig zu werden. Der grösste Feind liegt in einem selber. Ihn oder den Freund in sich, beide kann man nähren. Die Auseinandersetzung mit sich selber ist unumgänglich. In der Stadt oder im Dorf kann man davor besser flüchten und sich ablenken. Man kann sich faul berieseln lassen.“

Am besten hat uns das Bild „Julia mit den Zicklein 2010“ von Verner gefallen. Er schreibt dazu: „Unsere Nachbarin Julia ist bekannt, dass sie ihre Geissen verwöhnt, vor allem die kleinen Zicklein. Sie liebt sie und diese Julia auch. Immer noch sind die Tiere für die Bauern im Dorf empfindsame Lebewesen. Diese persönliche Beziehung zwischen dem Bauer und seinen Tieren ist selten geworden in der heutigen industriellen Tierhaltung, bei der Tiere als lebendes Inventar betrachtet werden.“