Menschheitsfamilie

Es ist ein friedlicher Sonntagmorgen. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich vor allem graue Wolken vorüberziehen. Ein kleines Fetzchen Blau und hell beleuchtete Wolken sind auch zu erkennen. Wir haben das neue Jahr gut angefangen. Wir haben zu viert gefeiert mit einer Freundin und ihrem Kater Findus, der viel Ähnlichkeiten hat mit dem Bilderbuch-Findus. Ich liebe die schwedischen Kinderbücher von Petterson und Findus (geschrieben und gezeichnet von Sven Nordqvist).

Christian und ich haben das neue Jahr am ersten Januar 2021 mit einem Online-Kurs begonnen, der 30 Tage dauert. Wir schauen täglich eine Episode und können Übungen dazu machen. Der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser bietet diesen Peacemaker-Onlinekurs an. In normalen Zeiten hält er viele Vorträge im deutschsprachigen Raum, was aber im Moment nicht möglich ist. Er schreibt auch Bücher. Sein neuestes Buch heisst „Imperium USA“ und ist ein Spiegel Bestseller.

Daniele Ganser nennt als eine der wichtigsten Voraussetzungen für Frieden, dass wir Menschen Achtsamkeit praktizieren. Er macht das auch selber und bringt viele hilfreiche Beispiele wie man das im Alltag umsetzen kann. Es ist zum Beispiel wichtig, dass wir im Alltag immer wieder bewusst ein- und ausatmen und versuchen uns zu entspannen. Das hilft uns, dass wir uns nicht völlig mit unseren Gedanken, Ideen und Gefühlen identifizieren. Wir erleben dann eine liebende Präsenz in uns, die es ermöglicht, auch andere Menschen mit ihren Gedanken und Gefühlen gelten zu lassen.

Auch im Moment erleben wir ja viele unterschiedliche Meinungen und sogar Spaltungen in der Gesellschaft. Daniele Ganser sagt, dass in der Corona Pandemie sich vor allem drei verschiedene Denkweisen erkennen lassen:

  1. Die Menschen, die grosse Angst vor der Krankheit selber haben. Sie gehören zur Risikogruppe oder kennen Menschen, die gestorben sind.
  2. Die Menschen, die sich gegen jegliche Bevormundung wehren und frei sein möchten und kaum Angst vor der Krankheit haben.
  3. Die Menschen, die unter wirtschaftlichen Folgen der Krankheit leiden und grosse Angst haben, völlig zu verarmen.

Das ist eine grosse Herausforderung und ich habe auch keine Lösungen wie man bei so unterschiedlichen Ängsten vernünftig miteinander kommunizieren könnte. Ich gehöre zu der ersten Gruppe und versuche einfach trotz allem vertrauensvoll zu leben. Ich versuche auch, die Ängste der anderen zu verstehen und unterstütze zum Beispiel möglichst auch kleine Geschäfte, den fairen und ökologischen Handel. Ich entspanne in der Natur, was natürlich im Frühling etwas einfacher war als jetzt im Winter. Doch Spaziergänge im Wald sind immer möglich und eine verschneite Landschaft hat auch ihren Reiz. Wir waren auch gestern wieder bei „unserem Bänkli“.

Wir alle gehören zur Menschheitsfamilie. Diesen Begriff habe ich bei Daniele Ganser gelernt. Ich finde ihn voller Energie und auch zentral für die Friedensbewegung. Niemand darf ausgeschlossen werden und wir müssen Wege finden, um miteinander zu kommunizieren. Für mich ist auch Postcrossing eine gute Möglichkeit eine friedliche Menschheitsfamilie kennenzulernen. Postkartenschreiben in die ganze Welt ist für mich eine tägliche wunderbare Aufgabe. In den 3 Jahren habe ich schon über tausend Postkarten geschrieben. Meistens bleibt es bei einem Kontakt, aber mit Rasa (Buchhalterin) aus Litauen und Alla (Primarlehrerin) aus Belarus habe ich noch weiterführende Kontakte. Ich habe ehrlich gesagt die beiden Länder vorher gar nicht gekannt. Die Berichte aus Minsk und Vilnius sehe ich jetzt mit anderen Augen.

Ich schaue wieder aus dem Fenster. Das Blau des Himmels ist viel grösser geworden. Ob die Sonne noch ganz durchkommt?

Ich wünsche euch allen von Herzen ein gutes neues Jahr und viel Hoffnung in allen Bereichen eures Lebens!

11 Gedanken zu „Menschheitsfamilie

  1. Margrit

    Liebe Rosmarie
    Es schneit und schneit, die Dächer sind weiss, und die Strassen werden auch langsam weisser. Ein ungewohntes Bild in unserer Gegend.
    Danke für deinen interessanten Beitrag. Ich freue mich immer, von dir zu lesen.
    ACHTSAMKEIT ja ich bin auch am Üben. Frieden im eigenen Herzen zu finden, und mich freuen, an dem was möglich ist. Dankbar sein für jeden neuen Tag.
    Viel Freude beim Üben ❤️
    Liebe Grüsse
    Margrit

  2. Doris Horisberger

    liebe Rosmarie
    das Thema Achtsamkeit… ich versuche immer wieder mal in diese Thematik einzusteigen…u.a. mit der App balloon. ich fühle mich nicht eben erfolgreich trotzdem will ich dranbleiben.
    Frieden in mir finden ein schönes Ziel.

    was ich auch gesehen habe, in unserer Bibliothek in Liestal tritt Beat Schlatter mit dem Thema Postcards auf, hab ich mir reserviert. 23.März 2021 19.30Uhr, interessiert?

    liebe Grüsse und euch ein gesundes unbeschwertes Jahr.
    Doris

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Liebe Doris
      Stell dir vor, ich habe den Bildband „Postcards“ von Beat Schlatter geschenkt bekommen. Es sind ganz tolle ältere Postkarten drin zum Beispiel auch von den unterschiedlichsten Schwimmbädern der Schweiz. Unter anderem von dem Schwimmbad von Heiden, wo ich sehr oft war. Meine Grosseltern haben gleich neben dem Schwimmbad gewohnt.
      Ich erlebe dich als einen Menschen, der auf andere Menschen, auch die Umgebung und kleine Dinge achtet.
      Inneren Frieden wünsche ich mir jeden Tag vor allem seit Corona!
      Alles Liebe, Rosemarie

  3. Veronika Koch

    Liebe Rosemarie
    Es ist eine tolle Idee, das neue Jahr mit einem Kurs zu beginnen. Und jeden Tag eine neue Idee oder Inspiraton zu bekommen. Wie ein Adventskalender für den Januar. – Achtsamkeit. Schade, dass wir das erst wieder lernen müssen. Die Schnelligkeit unserer Zeit hat uns die Achtsamkeit irgendwie abgewöhnt.

    Ich habe vor einiger Zeit mal ein Buch zu dem Thema gelesen. Es heisst «achtsam esssen, achtsam leben». Darin wird vorgeschlagen, aus dem Verzehr eines Apfels eine Art Apfel-Meditation zu machen. Jeden Bissen zu geniessen. Seine Süsse. Seinen Saft. Seine Knackigkeit. Und sich dabei vorzustellen, welchen Weg der Apfel bereits hinter sich hat. Über das Bestäuben der Blüte, sein Heranreifen in der Sonne, im Regen, die Menschen, die ihn pflücken, sortieren, verpacken, transportieren, präsentieren. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen an der Produktion eines einzigen Lebensmittels beteiligt sind und welchen Weg es bereits hinter sich hat.
    Es wird besonderer durch die Achtsamkeit. Richtige kostbar. Lustig, dass da auch kosten drinsteckt.

    Eine andere Erkenntnis, die ich auch mal irgendwo gelesen habe, ist, dass wenn wir Dinge nur 5 Sekunden länger ansehen als sonst, wir das Gefühl bekommen, dass sich unser Leben verlangsamt. Der längere Blick, also auch irgendwie Achtsamkeit, reicht, uns weniger gehetzt zu fühlen. Auch etwas kostbares.

    Die Achtsamkeit vermag also Werte zu steigern. Ganz allein durch eine veränderte Einstellung. Individuell und völlig kostenfrei. Eigentlich genial. Und vielleicht darum bei den Konsumenten gar nicht erwünscht. Wir sollen uns lieber etwas kaufen, damit wir uns gut fühlen. Dabei könnten wir das ganz aus uns selbst heraus bewirken.
    Achtsamkeit sein passt auch wunderbar zu Sybils Gedanken, das neue Jahr ganz vorsichtig und behutsam willkommen zu heissen und zu beginnnen. Es ist ja noch ganz jung und unbeschrieben und kann eigentlich gar nichts für die Altlasten, die ihm vom letzten aufgebürdet wurden. Es sollte auch die Chance bekommen wunderbar zu werden.

    Und der Begriff Menschenfamilie beinhaltet eigentlich auch Achtsamkeit. Respekt, Achtung, Toleranz tragen doch auch dazu bei, dass wir uns in den Menschen einfühlen und ihn gleichwertig anerkennen.

    Vielen lieben Dank für den schönen Achtsamkeits-Gedanken am Jahresanfang.
    Liebe Grüsse.

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Liebe Veronika
      Vielen Dank für deine wunderbaren Gedanken. Du bekommst bald wieder eine Postkarte von mir.
      Herzlich, Rosemarie

  4. Doris

    Liebe Rosmarie
    Vielen Dank für deinen Blog, der wieder spannend und inspirierend geschrieben ist. Den Tip mit dem Durchatmen nehme ich gerne auf. Immer wieder beobachte ich bei mir selber, dass ich mir für den Tag Ziele setze, die ich dann unbedingt erreichen will, obwohl sie von niemand anderem gesetzt oder erwartet werden. Wenn ich dann merke, dass es nicht so klappt wie ich es mir vorstelle, werde ich unleidig – da wäre eine solch einfache Übung sicher hilfreich. Auch der Gedanke mit der Menschheitsfamilie finde ich toll.

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Liebe Doris
      Schön, dass du die Menschheitsfamilie auch toll findest. Es ist so wertvoll, dass ich dich kenne und auch viele Jahre als Nachbarin haben durfte!
      Herzlich, Rosemarie

  5. barbara

    Liebe Rosemarie
    Bei Menschheitsfamilie kommt mir das Lied von Bligg und Marc Sway in den Sinn: Us Mänsch (https://www.youtube.com/watch?v=ixLsLFncL5g)
    Schlussendlich sind wir alle gleich. Wir sind aus Knochen, Muskeln, Haut. Wir wollen alle gesehen und geliebt werden.
    Wie oft vergesse ich es, wenn mich jemand nervt oder ich urteile über eine Person oder Situation. Achtsamer hin zu schauen ist tatsächlich der Weg in die richtige Richtung.
    Bhüet öi Gott
    Barbara

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Liebe Barbara
      Schön von dir zu hören! Den Song von Bligg und Marc Sway finde ich super. Danke für den Tipp! Ich habe ihn jetzt schon mehrmals gehört. Er ist mir vorher gar nicht so aufgefallen. Hast du den neuen Schweizer Film „Eden für jeden“ mit Marc Sway auch gesehen? Ich finde ihn auch lustig.
      Liebe Grüsse an euch beide
      Rosemarie

  6. Heidi Monnerat

    Vielen Dank, liebe Rosemarie. Es ist einfach immer spannend deine Briefe zu lesen.
    Für die meisten Menschen ist ihr Leben im Moment nur langweilig und etwas das man möglichst schnell hinter sich zu bringen wünscht. Wenn doch nur schon alles wieder wäre wie früher –

    Nun sind wir nicht auf dem Weg ? Ich realisiere dass ich mittendrin bin , in einer spannenden umwälzenden Epoche. In Frieden gelassen sein – das ist mein Wunsch für diesen Moment . Danke für deine Inspiration !

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Liebe Heidi
      Wir waren ja auch als Arbeitskolleginnen intensiv zusammen auf dem Weg. Jetzt wird es in der Pensionierung noch herausfordernder! Danke auch für deine Inspirationen. Gelassenheit hilft.
      Herzlich, Rosemarie

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