Vernebelt

Heute, Sonntag morgen, kam um 9.25 Uhr die Sonne über den Berg und schien direkt in das Wohnzimmer unserer Ferienwohnung in Schluein. Das ist ein magischer Moment. Einfach unglaublich, wieviel Wärme und Licht diese Sonnenstrahlen bringen. Wenn ich jodeln könnte, hätte ich gejodelt. Wir hatten aber auch grade den Mund voll, denn wir waren am Frühstück. Heute gab es feinen Dinkelzopf von der Pasternaria Romana in Laax. Wir kaufen auch immer Roggen- und Dinkelbrot von dieser Bäckerei. Es ist einfach das Beste, das wir kennen.

Oft heisst es, dass wir Menschen allem hilflos ausgeliefert sind. Aber das stimmt nicht ganz. Viele kleine und kleinste Entscheidungen können wir selber fällen. Wir können Betriebe unterstützen, die gesundes und nachhaltiges Essen produzieren und verkaufen. Auch können wir uns bewusst entscheiden, selber möglichst keinen Foodwaste mehr zu produzieren. Zum Frühstück gab es heute auch eine Bio-Orange von den neun Kilogramm, die wir gestern über Gebana aus Griechenland erhalten haben. Diese Orangen schmecken so fantastisch. Wir sind schon gespannt auf die Kiwis, die wir auch noch bekommen werden. Wieviel gesünder ist es, eine Bio-Frucht zu essen, als gezuckerten undefinierbaren Saft von den grossen Konzernen zu trinken.

Vor dem Frühstück stand ich noch auf dem Balkon und habe dem Nebel zugeschaut der vom Unterland heraufwabberte. Gestern haben wir auf der Fahrt von Mellingen nach Schluein richtige Nebelstudien machen können. In Mellingen war eher Hochnebel, auf dem Mutschellen fuhren wir in dichten Nebel hinein, ganz grau war es auch dem Zürichsee entlang, an der Raststätte Glarnerland drückte die Sonne schon ganz fest, aber kam noch nicht durch, von Liechtenstein her kamen nochmals dicke Nebelschwaden, die sich um die Berge legten wie ein Schal, erst ab Chur, Flims, Laax, Schluein war es sonnig, hatte aber auch ein paar Wolken.

In Mellingen haben wir ja oft Nebel. Ich versuche auch immer wieder den Nebel in seiner Verschiedenheit bewusst zu erleben. Es ist ja eine bekannte Weisheit, dass wir die Intensität des bewussten Lebens verpassen, wenn wir immer auf irgendetwas warten. Wenn der Nebel weg ist, dann gehe ich spazieren. Wenn ich diese Prüfung habe oder wenn ich pensioniert bin, dann geniesse ich das Leben. Aber das ist ein Trugschluss. Das Leben kann man wahrscheinlich nur im Jetzt geniessen.

Manchmal sind wir auch im Kopf etwas vernebelt. Das ist mir bei unserem obligaten Spaziergang in Mellingen zu unserem Bänkli bei schönstem Sonnenschein erneut bewusst geworden. Auf dem Weg dorthin durch den Wald stiessen wir auf Hindernisse. Es war aber kein Verbotsschild. Das Forstamt hatte gewütet. Die Baumstämme lagen kreuz und quer und mit schweren Fahrzeugen haben sie gewaltige Schneisen durch den Wald geschlagen. Wir überkletterten ein paar Bäume und suchten dann einen Weg mitten durch den Wald. Ich regte mich sehr auf über diese gewaltsame Verletzung des Waldes und dass sie einfach alles liegen lassen. Ich machte mir Sorgen wie wir wieder auf einen normalen Weg kommen. Ich war ungeheuer beschäftigt im Kopf, schaute nicht mehr genau wo ich hintrat, blieb mit einem Fuss irgendwo hängen und knallte der Länge nach hin. Mit dem Körper landete ich weich, aber mit dem Kopf schlug ich noch auf einem Baumstamm auf. Ich hatte einen Schutzengel. Es hätte schlimmer kommen können. Ein paar Schrammen auf der Nase hatte ich eingefangen.

Erschöpft erreichten wir doch noch unser Bänkli. Ich war überall schmutzig und versuchte wieder normal zu atmen. Dann erlebte ich ein kleines Wunder. Christian hat es auch gesehen, sonst hätte ich es als schönen Traum abgetan. Ein wirklich grosser fantastischer Schmetterling landete auf meiner Jacke. Es war ein magischer, unendlich zärtlicher Moment.

Solche magisch zärtliche Momente wünsche ich euch auch!

3 Gedanken zu „Vernebelt

  1. Veronika Koch

    Liebe Rosemarie

    Ich habe auch zwei Erlebnisse mit Nebelwelten für dich (und eine ist dazu noch ein magischer Moment):

    Die eindrücklichste Erfahrung mit Nebel machte ich in meinem ersten Winter in der Schweiz. Also vor gut 30 Jahren. Ich hatte mein kleines rotes Auto noch ganz neu und genoss es sehr, mit ihm ganz einfach und spontan irgendwohin fahren zu können.
    An einem Wochenende, es war ein grauer Tag, fuhr ich an den Walensee und von da aus bergauf Richtung Amden. Irgendwo stellte ich das Auto ab und wanderte weiter in die Höhe. Als der Nebel dann immer blauer wurde, stand ich nach ein paar weiteren Schritten plötzlich in der Sonne und sah auf das Nebelmeer hinab. Es war ein unglaublicher Moment. Ich kannte diese scharfe Nebelgrenze nicht und hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie von oberhalb auf sie herabgesehen.
    In Paderborn, wo ich aufgewachsen bin, gab es nur Bodennebel. Oder aber einen grauen Himmel und weit und breit keine Möglichkeit, sprich einen so hohen Berg, dass man irgendwie über diese Decke gelangen konnte. Also kam man gar nicht auf die Idee, dass es ein wie auch immer geartetetes anderes Darüber geben könnte
    Der Kontrast dieses Graulichts unter der Schicht und des strahlenden Sonnenscheins vor dem wolkenlosen blauen Himmel über diesem schneeweissen Wattemeer irgendwo unterhalb von Amden überraschte mich völlig und beeindruckte mich gewaltig.
    Ich konnte mich gar nicht sattsehen und fast nicht überwinden, wieder freiwillig in diese Suppe einzutauchen. Und habe diesen magischen Moment habe bis heute noch deutlich vor Augen.

    Ohne diese zähe, graue, mehrheitlich ziemlich unbeliebte Nebelschicht wäre diese Erlebnis gar nicht möglich gewesen. Und ich möchte diesen besonderen Augenbilick in meiner Erinnerung wirklich nicht missen.

    Ein kleines Elfchen entstand nach einem Waldspaziergang mit unserem Hund. Ich war am Abend zuvor im Kino gewesen und hatte mir einen Teil der Herr-der-Ringe-Trilogie angesehen. Ich bin eine grosse Fanin von Fantasy-Geschichten, und in diesem Genre kommt man an Nebel wirklich nicht vorbei. Ich steckte stimmungsmässig am anderen Morgen noch immer ein wenig in dieser grossen Heldengeschichte,
    und der vernebelte Wald in unserem Tal hätte also das Potenzial für eine fiktive Tolkien-Welt haben können …

    Gefährten.
    Abenteuer. Mittelerde.
    Kino. Im Wald
    heute Nebelwelt. Aber keine
    Helden.

    Helden sind aus den Nebelschwaden also keine aufgetaucht zu meinem Bedauern und gegen mein Gefühl.

    Nichtsdestotrotz bietet Nebel eine grosse Möglichkeit für Fantasien. Weil alles irgendwie difus, gedämpft und etwas irreal ist. Lassen wir also unseren Verstand etwas unter der Unschärfe leiden und schenken wir der Unwirklichkeit mehr Vertrauen.

    Liebe Rosemarie, ich hoffe, die Schrammen an deiner Nase sind mittlerweile wieder verheilt und dein Kopf hat sich vom Aufprall erholt. Ist schon seltsam, wie unmittelbar man manchmal auf den Boden der Realität geholt wird. Aber wirklich zauberhaft, die berührende Begegnung danach.

    Hab auch weiterhin einen magischen November. Alles Liebe. Veronika

  2. Doris Horisberger

    Liebe Rosmarie
    Ich fuhr in Gedanken die gleiche Strecke, fuhr dieses Jahr schon zwei mal an Schluein vorbei.
    Magische Momente schenkte mir Margrit Gysin, die bekannte Figurenspielerin aus Liestal gastierte heute bei uns in Rothenfluh. Ich sah schon einige Stücke von ihr, bin ein grosser Fan ihrer Erzählungen. Sie feilte ein Jahr daran, ihre Figuren, das quasi Bühnenbild macht sie alles selber. Heute das Stück „d‘ Ärdgeis“ unglaublich beeindruckend.
    Bis bald mal liebe Grüsse Doris

  3. Therese Richner

    Beim Lesen deines Blogs kam mir sofort folgende Geshichte in den Sinn. Man kann seht wohl etwas machen!
    Es war einmal ein alter Mann, der jeden Morgen einen Spaziergang am Meeresstrand machte.
    Eines Tages sah er einen kleinen Jungen, der vorsichtig etwas aufhob und ins Meer warf. Er rief: “Guten Morgen. was machst Du da?” Der Junge richtete sich auf und antwortete: “Ich werfe Seesterne ins Meer zurück. Es ist Ebbe, und die Sonne brennt herunter. Wenn ich es nicht tue, dann sterben sie.” “Aber, junger Mann”, erwiderte der alte Mann, “ist dir eigentlich klar, dass hier Kilometer um Kilometer Strand ist. Und überall liegen Seesterne. Du kannst unmöglich alle retten, das macht doch keinen Sinn.”
    Der Junge hörte höflich zu, bückte sich, nahm einen anderen Seestern auf und warf ihn lächelnd ins Meer. “Aber für diesen macht es Sinn!”

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