Archiv für den Monat: Juni 2015

Unter weissen Rosen

Im Moment sitze ich in unserem Garten, geniesse die sonntägliche Ruhe und schreibe. Allerdings werde ich bald aufbrechen, um in der Wohngemeinschaft (meinem Arbeitsplatz) Mittagessen zu kochen. Ich werde den Blog wahrscheinlich erst am Abend fertig schreiben. Aber immerhin ist wieder etwas wie ein Anfang gemacht. Schreiben macht mich glücklich. Doch ich hatte so was wie eine Schreibblockade, weil ich in letzter Zeit so viel erlebt habe und gar nicht mehr wusste, was ich davon erzählen will.

Am 4. Juni sind wir mit der Bahn nach Berlin gefahren. Wir wurden bestaunt, weil wir es wagen in Deutschland Zug zu fahren, wo sie doch dauernd am Streiken sind. Ausserdem wäre doch fliegen viel billiger! Doch wir sind halt echte Zugfans besonders wenn wir erster Klasse unterwegs sind. In bequemen Sesseln durch die Gegend zu sausen ist doch einfach ein Genuss. Am Bahnhof in Basel habe ich spontan das neue Buch von Blanca Imboden mit dem Titel „Matterhörner“ gekauft. Ihre Bücher versetzen mich in eine gute Stimmung. Ich musste mich beherrschen, dass ich im Zugabteil nicht allzu laut lache. Was gibt es Schöneres als zu lesen, ab und zu aus dem Fenster zu schauen und janz viel Jejend (berlinerisch) vorbeiflitzen zu sehen. Das Buch habe ich dann in Berlin gleich verschenkt.

Wir haben in Berlin bei Verwandten am Zeisigweg gewohnt. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Zeisige gibt in Berlin. Vielleicht kann mir da ein Vogelkundler weiterhelfen? Auf jeden Fall gibt es eine Menge Vögel. Es gibt auch viele alte und hohe Bäume. Was uns wohl diese Bäume alles erzählen könnten? Wir haben dieses Mal kein einziges Museum besucht sondern haben Natur in der Grossstadt erlebt. Zum Beispiel waren wir mit dem Schiff unterwegs auf Seen, Flüssen und Kanälen. Wir waren im Botanischen Garten mit vielen Bäumen, Pflanzen, Blumen und quakenden Fröschen. Auch im Berliner Zoo gibt es viele alte Bäume. Die Tiere konnten wir sehr nahe beobachten, aber vielleicht sind sie schon etwas eng gehalten. Der Löwe hatte auf jeden Fall sehr laut gebrüllt. Vielleicht träumte er von einem Wildreservat in Afrika.

Wir waren auch an der Buga (Bundesgartenschau) in der Stadt Brandenburg an der Havel. Es hätte 5 Standorte in der ganzen Havelregion zu besichtigen gegeben. Das haben wir aber gar nicht geschafft. Auf jeden Fall sind diese „Bugas“ in Deutschland eine tolle Sache, die Erholungsgelände auch für die Zukunft schaffen. Vor Jahren waren wir auch an der Buga in Berlin. Ich kann mich noch gut erinnern, dass dort die Wildkräuter (sprich Unkraut) grosse Anerkennung bekamen. Seither bin ich auch stolz auf Wildkräuter in unserem Garten. Übrigens gibt es im neuesten Magazin des Tagesanzeigers (27. Juni 2015) einen Artikel zu diesem Thema: „Was anders ist, wird abgemäht“ von Mathias Plüss, den ich ganz hervorragend finde. Er schreibt zum Beispiel: „Die existenzielle Bedeutung des Rasens wurde mir so richtig bewusst, als wir kürzlich in eine neue Wohnung zogen. Der Hausbesitzer, ein überaus feiner Kerl, machte sofort klar, das Gras müsse normgemäss gestutzt werden. Unseren Kompromissvorschlag, wenigstens ein Rändli stehen zu lassen, das ein paar Käfern Schutz und Nahrung böte, lehnte er ab: Es sei ja nicht wegen ihm, sondern wegen der Nachbarn. Diese dürften nicht das Gefühl bekommen, es herrsche hier Unordnung.“

Wir konnten jeden Tag in Berlin Frühstück und meist auch Abendessen unter einer wunderbaren weissen Rosenhecke einnehmen. Es hat fein geduftet. Dieser Platz lud natürlich auch ein zum Lesen. Meine Schwägerin, die auch eine Leseratte ist, hat mir verschiedene Bücher empfohlen. Zwei davon habe ich schon gelesen und möchte sie gerne vorstellen.

Sehr berührend fand ich das Buch „Fuchserde“ von Thomas Sautner. Er schrieb einen Roman über zwei jenische Familien auf der Basis von Gesprächen mit Jenischen und historischen Recherchen. In Österreich sind Jenische nicht als Ethnie anerkannt, und sie selbst bekennen sich nach der Erfahrung der Verfolgung durch Nazis erst langsam wieder zu ihren Wurzeln: die Jenischen, die nicht zu den Roma und Sinti gehören. Sie sind die Nachkommen europäischer „Nichtsesshafter“ und führen ihre Herkunft selbst auf die Kelten zurück.

Christian und ich haben beide den empfohlenen Provinzkrimi aus Berlin gelesen: „Wo der Hund begraben liegt“ von Beate Vera. Der Krimi spielt in der unmittelbaren Wohngegend unserer Verwandten in Berlin-Lichterfelde. Die Bebauungsplanung für das ehemalige US-Truppenübungsgelände, von der im Buch die Rede ist gibt es tatsächlich. Auf jeden Fall ein spannender Krimi!

Es ist doch wunderbar, dass Lesen eine Freizeitbeschäftigung für alle Jahreszeiten ist! Drinnen, draussen, im Zug, im Garten, am See – und wo sind deine Lieblingsplätze?