Archiv für den Monat: Dezember 2017

Advent

Heute ist der erste Advent. Ich sitze in unserem Wohnzimmer mit meinem Laptop und tippe vergnügt vor mich hin. Eine rote Kerze leuchtet auf dem schönen Adventskranz, den ich gestern an einem Basar gekauft habe. Dazu höre ich weihnachtliche Klaviermusik, sehr fantasievoll gespielt von Christof Fankhauser. Ich liebe den Advent und das Kerzenlicht immer noch sehr, obwohl meine Mutter an einem vierten Advent gestorben ist. Es hat mich getröstet, dass sie in einem friedlichen und lichtvollen Moment einfach so gegangen ist. Ich möchte das auch mal so machen, aber wenn möglich nicht mit 61, denn das bin ich schon bald.

Christian und ich haben keine immer wiederkehrenden Advents- und Weihnachtsrituale. Wir lassen einfach so auf uns zukommen, was sich so alles ergibt und passiert. Wir versuchen die vielen glücklichen Momente, die das Leben uns schenkt, wahrzunehmen und zu geniessen.

Vor ein paar Jahren habe ich das erste Buch von Bronnie Ware «5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen» gelesen. Inzwischen habe ich sie auch persönlich an einem Seminar in Bern kennengelernt. Es ist schade, dass viele Sterbende grosse Einsichten erst am Ende ihres Lebens hatten. Wir können jedoch alle voneinander lernen und vielleicht grade in der Advents- und Weihnachtszeit, wo viele Menschen an ihre Grenzen kommen, etwas anders machen und leben.

Erstes Ding: Ich hätte gerne den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben und mich nicht von den Erwartungen anderer leiten zu lassen.
Erwartungen haben wir selber ganz viele an andere Menschen. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit laufen unsere Erwartungen gegenseitig auf Hochtouren. Es ist unglaublich befreiend, ein wenig davon wegzukommen. Oft geht es auch darum, ganz bestimmt Nein sagen zu können. Das möchte ich jetzt nicht.

Zweites Ding: Ich hätte nicht so hart arbeiten dürfen.
Ich finde es schade, wie hart gerade auch in der Weihnachtszeit Menschen arbeiten müssen und auch wollen. Alles muss perfekt sein. Es genügen nicht zwei oder drei Sorten Weihnachtsguetzli. Viele quälen sich mit zig Sorten, die nur sie perfekt herstellen können. Oder der neue Trend der Dekorationen muss eingehalten werden. Man denke auch an das Verkaufspersonal, das sogar noch an Sonntagen arbeiten muss. Die sind an Weihnachten fix und fertig. Der Kaufrausch erreicht im Dezember seinen Höhepunkt. Wahrscheinlich muss jede und jeder seinen Weg zu einem bewussteren und genussvolleren Leben selber finden. Auch Guetzlibacken kann sehr genussvoll sein. Es ist einfach grundsätzlich wichtig, dass wir uns nicht nur über Arbeit definieren.

Drittes Ding: Ich hätte den Mut haben sollen, meine Gefühle auszudrücken.
Meiner Meinung nach geht es darum, seine eigenen Gefühle auch in der sogenannt heiligen Zeit wahrzunehmen. Wut, Eifersucht und Ängste brodeln oft im Untergrund – und wir merken es gar nicht. Dann kommen die schwierigen Gefühle in ungeeigneten Augenblicken an die Oberfläche ohne dass wir sie noch steuern können. Es ist ungeheuer befreiend, wenn man sich über seine eigenen Gefühle bewusst ist und sie annehmen kann. Wichtiger als alle Geschenke ist es auch zu hören, dass wir geliebt sind und irgendwo dazugehören. Weihnachten ist Liebe.

Viertes Ding: Ich hätte mit meinen Freunden in Kontakt bleiben sollen
Freundschaften pflegen ist wichtiger als ein grosses Bankkonto anhäufen. Wir Menschen können uns so gut ergänzen. Alleine kommen wir doch nirgendwo hin. Natürlich kann man nicht alle Freundschaften aufrechterhalten. Im Laufe der Zeit verändert man sich auch. Ich bin immer wieder dankbar, was gute Freunde mir geben können und sind.

Fünftes Ding: Ich hätte mir mehr Freude und Spass gönnen sollen.
Humor trägt uns durch alle Lebenslagen, und erst recht durch die Weihnachtszeit. Ich habe schon oft von Ausländern gehört, wie ernsthaft unsere Weihnachtszeit ist. Ich habe vor Jahren eine Christmas Party in England mit viel schwarzem Humor erlebt. Da habe ich vielleicht gestaunt. In vielen Ländern der Welt ist es ja auch heiss und es werden ausgelassene Sommerpartys gefeiert. Ich lache gerne und es tut mir einfach gut. Es gibt ja auch viel zu lachen, wenn einem in der Vorbereitungszeit zu Weihnachten das eine oder andere misslingt. Ich liebe Menschen, die ihre Missgeschicke in den schönsten Farben ausmalen können.

In dem Sinne wünsche ich allen meinen Lesern eine unperfekte Advents- und Weihnachtszeit mit vielen alltäglichen Überraschungen und viel Gelächter zusammen mit der Familie, Freunden, Arbeitskollegen und auch Fremden.