Seidenband und Ewigkeit

Es ist nicht einfach, mit meinem Beruf als Sozialpädagogin die sogenannte „work-life-balance“ zu halten. Kulturelle Aktivitäten helfen mir, mein Gleichgewicht zu finden. Ich bekomme viele neue Impulse und kann mich auch entspannen.

Deshalb habe ich mich sehr gefreut, mit einer Freundin letzthin das Museum Baselland in Liestal zu besuchen. Dort gab es unglaublich viel zu sehen und zu erleben und ich habe übrigens an diesem Tag meine zehntausend Schritte locker erreicht. Die Museen sind heute allgemein viel spannender als früher, weil man vieles selber entdecken und anfassen kann. So waren auch einige Kinder mit Erwachsenen zusammen im Museum unterwegs.

Von Seidenbändern habe ich ja schon gehört und von meiner Gotte habe ich immer Geschenkspäckli mit Seidenband bekommen, aber der Begriff Posamenten war mir bis jetzt nicht geläufig.

Posamenten (aus dem französischen passement) sind Besatzartikel, die keine eigenständige Funktion besitzen, sondern lediglich als Schmuckelemente auf andere textile Endprodukte wie Kleidung , Polstermöbel, Lampenschirme, Vorhänge und andere  Heimtextilien appliziert werden.

Im Baselland war früher die Posamenterei, das Weben von Seidenbändern in Heimarbeit, sehr verbreitet. Im Museum gibt es Filme zu sehen von Menschen, die von Kindsbeinen an bis ins hohe Alter mit der Posamenterei beschäftigt waren. Viele sagen im Film, dass sie dies sehr gerne gemacht hätten. Eine Woche später berichte ich zwei älteren Frauen von meinem Museumsbesuch. Sie lachen und erzählen, dass sie mit meinem Vater auch mal dort gewesen seien und sie hätten heute noch ein paar Seidenbänder von diesem Ausflug. Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm oder wie der Vater so die Tochter!

Im Museum Baselland geht es auf einem anderen Stock nicht um Äpfel sondern natürlich um Kirschen. Als erstes kann man sich mit Helm auf ein Motorrad setzen und dann wird einem eine „Chirsi-Bluescht-Fahrt“ simuliert. Weiter konnten wir wirklich alles über Kirschen erfahren. Bilder von der Kirschblüte in Japan waren auch zu sehen. Wieder eine Parallele zu meinem Vater, der mir vor 17 Jahren einen japanischen Kirschbaum geschenkt und den kleinen Baum noch durch die Haustür tragen konnte. Mein Vater ist unterdessen gestorben und der Baum ist riesig und muss immer wieder geschnitten werden. Wir freuen uns jeden Frühling an der rosaroten Pracht.

Christian und ich waren letzten Mittwoch auch im Kurtheater Baden zur Entspannung. Es war allerdings ein emotionsgeladenes Stück von Peter Konwitschny (Produktion: Theater Chur & orchester le phénix), der Bachkantaten unter dem Titel „O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“ inszenierte. Schon am Anfang erschreckten wir ziemlich, als die Sänger auf den Seitengängen im Dunkeln mit ihren vollen Stimmen zu singen anfingen und auf uns zukamen. Die Begriffe Zeit und Ewigkeit wurden uns auf unkonventionelle Art näher gebracht. Und doch die Musik von Bach ist einfach zeitlos.

Im Moment gerade verbringe ich Freizeit im Bündner Oberland. Leider herrschte hier heute derselbe Hochnebel wie im Unterland und trennte uns den ganzen Tag von der wärmenden Sonne. Aber wir lassen uns ja nicht verdriessen und haben uns gegen Abend ein Kaminfeuer gemacht, einen feinen Tee gekocht und lesen. Ich war noch in der Bibliothek und habe auch ein Buch für Christian gefunden. Es ist ein Volltreffer und ich höre ihn andauernd lachen. Das Buch ist von Thomas Meyer und heisst „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“. Der junge orthodoxe Jude Mordechai Wolkenbruch, kurz Motti, hat ein Problem: Die Frauen, die ihm seine mame als Heiratskandidatinnen vorsetzt, sehen alle so aus wie sie. Ganz im Gegensatz zu Laura, seiner adretten Mitstudentin!

Christian ist grade fertig geworden. Also ich muss Schluss machen. Das Buch ruft!

 

3 Gedanken zu „Seidenband und Ewigkeit

  1. Monika Neidhart

    Liebe Rosmarie,
    das Buch „Wockenbruchs…“ ist wirklich super. Das Wort „Schickse“ hatte ich bis zum Kauf dieses Buches schon lange nicht mehr gehört. Vielleicht habe ich es gerade darum gekauft… aber – ich bin begeistert von dieser Geschichte.
    Ich sammle seit einiger Zeit „alte Wörter, wie z.B.: eben Schickse oder „dä Bättel herrühre“(etwas aufgeben) usw. Das ist mega spannend.
    Übrigens: Posamenten haben sie früher auch im Aargau gemacht. Ich glaube, im Schloss Hallwil, war vor 2 oder 3 Jahren eine Ausstellung.
    Ich möchte Dir auch noch ein Büchlein empfehlen: „Mit freundlichen Grüssen“ von Peter Bichsel. Er erzählt Geschichten von ganz gewöhnlichen und ungewöhnlichen Menschen. Wie alles von Bichsel ist es so richtig süffig zu lesen.
    Liebe Grüsse
    Monika

  2. rita

    Ja, auch ich hinke – wie die alte Fasnacht – hinterher: eben kulturell.
    Aber auch hinkend kommt man/frau auf einen grünen Zweig, respektive ins Kino mit dem speziellen Film „Honig im Kopf“.
    Jetzt kann ich besser verstehen, weshalb Themen wie Erziehung, Anstand, Regeln des Zusammenlebens, Pflicht, Vernunft und so fort zu starken Reaktionen geführt haben mit den Personen, die mit dir, Rosemarie, in den Film gegangen sind.
    Ein zauberhafter Film, wunderschön die Region Südtirol mit den Dolomiten, dann natürlich Venedig!!!
    Die 11-jährige Enkelin mit ihrem Grossvater auf Reisen Richtung Venedig sowie die vielen damit verbundenen Turbulenzen.
    Viele Episoden werden „extrem“ überzeichnet, wohl um das ernste Thema „Demenz“ verträglicher zu gestalten für das Kinopublikum.
    Trotzdem denke ich, dass der Film sehr „lehrreich“ ist, ohne „oberlehrerhaft“ zu wirken. Gewisse „Tabus“ bezogen auf auf die Krankheit „Alzheimer“, sowie auf das alt werden, sind im Film gut verpackt unter einem dick aufgetragenen „Klamauk“. Danke für den Tipp!
    Euch beiden noch ganz erholsame und genussvolle Tage im Grau!!!-Bünden. Ja, und Petrus soll meinen Wunsch nach Sonnenschein, speziell für Euch zwei, bitte erfüllen.

  3. Matthias Künzi

    Danke für den netten Erfahrungsbericht 🙂 Ich staune, was du/ihr so kulturell alles drauf habt – schön 🙂 Ich bin und bleibe auf euren Spuren 😉 Herzlicher Wintergruss aus dem verschneiten Köniz: Euer Matthias

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