Augenblicksblinken

Blauer Schmetterling von Hermann Hesse

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.

Dieses Gedicht habe ich kürzlich wieder entdeckt und etwas später auch einen kleinen blauen Falter gesehen. Er flog auf den Wiesen zwischen Breil/Brigels und Vuorz/Waltensburg, setzte sich auf eine Blume und wartete geduldig bis ich mein Handy hervorgekramt und Fotos gemacht hatte. Die schönen Augenblicke kann ich nicht selber produzieren. Sie können nicht geplant oder kontrolliert werden. Sie geschehen einfach so mit Augenblicksblinken, so im Vorüberwehn.

Doch ich kann dieses schöne Erlebnis wahrnehmen. Ich erinnere mich genau an den angenehmen Wind, der die Wiesen und auch meine Haut gestreichelt hat. Die verschiedenen Grüntöne in der Umgebung, der blaue Himmel mit den weissen Wolken und die bunten Blumen mit den Schmetterlingen und Insekten waren eine Wohltat für die Augen. Die Grillen haben gezirpt und der Wind hat gesäuselt. Plätschern des Baches war auch noch zu hören und was für Geräusche gab es wohl sonst noch?

Franz Hohler beschreibt in seinem neuen Buch «Rhein aufwärts» viele unscheinbare Erlebnisse, die er auf seinen Wanderungen wahrgenommen hat. Christian und ich haben das Buch mit Begeisterung gelesen. Franz Hohler ist ja am 1. März 2023 80 Jahre alt geworden. Er konnte die Wanderungen nicht ohne Unterbrechungen durchführen. In der Coronazeit war ja alles etwas schwieriger und ausserdem hatte er selber die eine oder andere Beschwerde, die ihn davon abhielten. Aber er ist einfach drangeblieben. Seine authentischen Berichte gefallen mir.

Ich bin auch drangeblieben und habe etwas wahrgemacht, was ich schon immer mal erleben wollte: die Solothurner Literaturtage. Dank unserer Kantonshauptstädte-Tour 2023 habe ich mich in die Stadt Solothurn verliebt und bin gleich dreimal hintereinander dorthin gepilgert. Beim zweiten Mal hat mir ein langjährige Ausbildungskollegin das Programm der Literaturtage in die Hände gedrückt. Kurzerhand habe ich ein AHV-Ticket für den Sonntag gebucht. Wegen Husten konnte Christian leider nur zu Hause den Audio-Stream hören. Aber ich war da und es war einfach super! Luzia Stettler kenne ich vom Radio sehr gut und habe sie nun live gesehen. Sie hat interessante Interviews gemacht mit Sybil Schreiber und auch mit Arno Geiger. Zum Abschluss erlebte ich noch Franz Hohler und Christian Haller im spannenden Gespräch.

Am Schluss der Literaturtage habe ich mir selber mit einem Cüpli zugeprostet und mir zu meinem Mut gratuliert. Warum lässt man sich so oft von spontanen Ideen abhalten? Wie viele Jahre habe ich gedacht, dass es bestimmt zu viele Leute haben wird oder dass da nur die Super-Intellektuellen hingehen etc. Wir können uns mit negativen Gedanken von so vielen coolen Augenblicken abhalten. Es war doch toll mal die Frau Hohler zu sehen oder mit Sybil und Steven Schneider zu scherzen oder hinter Arno Geiger und seiner Frau über die Brücke zum Bahnhof zu gehen.

Jetzt gerade sehe ich Christian mit dem Augenblick des Kaffeetrinkens blinken und ein Eis werden wir uns auch noch gönnen. Dazu werde ich die wunderschöne rosa Pfingstrose bewundern, die in unserem Garten gewachsen ist und einfach unverwüstlich jedes Jahr wiederkommt. Geniesst diese sonnigen Tage!