Rosie und die Urgrossmutter

Unmittelbar vor Weihnachten war ich noch in der Bibliothek Mellingen und habe mir spontan 2 Bücher ausgesucht. Ich liebe es in Bibliotheken zu gehen. Dort kann ich, ähnlich wie ich es beim Kurtheater Baden beschrieben habe, an früheste Kindheitserinnerungen anknüpfen. Heute können Bibliothekarinnen mit dem Computer arbeiten und müssen sich nicht mit den Karteikärtchen herumquälen, aber für mich fühlt es sich wie früher an. Wir sind Mitglied von den Bibliotheken Mellingen, Baden und Wettingen. Leider habe ich viel zu wenig Zeit, um in allen Bibliotheken ausgiebig zu schmökern. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, wenn ich pensioniert bin. Auf jeden Fall hoffe ich, dass Bibliotheken mit ihren netten Mitarbeiterinnen noch lange nicht verschwinden werden.

Als Primarschülerin war der Bibliotheksbesuch ein Erlebnis für die ganze Familie. Wir sind mit unserem weissen VW-Käfer (siehe Beitragsbild) nach Zürich-Altstetten gefahren, weil es dort angeblich die beste Bibliothek gab oder warum auch immer. Meine Schwester war damals noch sehr klein, aber ich erinnere mich, dass sie sich bei den Bilderbüchern auch gut verweilen konnte. Glücklich sind wir jeweils mit unserem individuellen Schatz an Büchern wieder nach Hause gefahren.

Dieses Glück erlebe ich auch heute noch. Zuerst schaue ich immer bei den Neuerscheinungen, ob mir irgendein Buch bekannt vorkommt oder ich irgendetwas darüber gehört habe. Jetzt vor Weihnachten waren fast alle Neuerscheinungen wahrscheinlich schon ausgeliehen und ich habe in vielen anderen Regalen weitergeschaut. Spontan habe ich mir 2 Bücher ausgesucht, die ich unterdessen gelesen habe und wärmstens weiterempfehlen kann.

Das erste Buch ist von Joachim Meyerhoff und heisst „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Der Roman ist autobiographisch und geht unter die Haut. Er beschreibt vor allem auch die Beziehung vom Ich-Erzähler zu seinem Vater, der Psychiater war. Sie haben als Familie mitten auf dem Psychiatrie-Gelände Hesterberg in Schleswig-Holstein gewohnt. Es ist ein „Wahnsinns“-Buch, mit Respekt und Wärme geschrieben. Es wurde mir vor Monaten schon von einer Kollegin empfohlen und es hat mich umgehauen. Für das Buch braucht man etwas Ruhe und Zeit. Es lässt sich nicht nebenbei lesen.

Das zweite Buch heisst „Rosie und der Urgrossvater“! Und zwar gehe ich auch immer wieder in der „Kinder- und Jugendbuchabteilung“ schauen. Der Name „Rosie“ ist mir natürlich sofort in die Augen gesprungen. Ausserdem stand noch „Prix Chronos 2012“ drauf. Ich wusste zwar nicht was das für ein Preis ist, aber das konnte ich ja herausfinden. Im Internet habe ich folgende Informationen gefunden:
Wenn Junge und Alte das Gleiche lesen, darüber sprechen und zusammen feiern, das ist der Prix Chronos. Auch dieses Jahr wieder motivieren Pro Senectute und Pro Juventute – neu mit der Unterstützung der Orell Füssli Thalia AG – Kinder und Senioren landauf und landab zum Lesen und Diskutieren. Im Frühling 2015 winkt 200 glücklichen Wettbewerbsteilnehmern eine tolle Preisübergabe mit einem Konzert des Rappers Knackeboul. Näheres zu erfahren unter www.prix-chronos.ch

Die Geschichten vom Urgrossvater sind sehr spannend und auch was die kecke Rosie dazu sagt. Sie können beide gut erzählen, aber auch zuhören. Das Buch ist sehr vielschichtig. Das Zusammenleben der Generationen und Familiengeheimnisse kommen zur Sprache. Die Grossmutter von Rosie, die ja die Tochter vom Urgrossvater ist, wird als eine ganz strenge Frau beschrieben. Doch die beiden setzen sich ein paar Mal über aufgezwungene Verbote hinweg.

Ich selber habe meine Urgrossväter nie gekannt. Alle 4 sind vor meiner Geburt gestorben. Doch 2 meiner Urgrossmütter haben noch gelebt, als ich geboren bin. Die Grossmutter meiner Mutter lebte mit meiner Grosstante zusammen. Ich glaube, meine Urgrossmutter war auch eine etwas strenge Frau. Meine Grosstante hatte es nicht einfach. Ich hatte wohl von Anfang an vor allem Sympathien für meine Grosstante Elsa gehabt und sie zärtlich „Tanti“ genannt. Beim Wühlen in der Fotokiste habe ich aber doch noch ein Foto von Rosie und der Urgrossmutter gefunden, was mich zu diesem Titel verleitet hat.

8 Gedanken zu „Rosie und die Urgrossmutter

  1. Silvia Weidmann

    Hallo. Interessant deinen Beitrag, wie immer. Ich habe leider meine urgrosseltern nicht gekannt.
    Während meiner Kindheit hatten wir keine Bibliothek, aber sehr viele Illustrierte aus Deutschland, die uns eine Nachbarin immer schön bündelte und nach dem Kirchengang (einmal im Monat) überreichte und die wir beim nächsten mal wieder zurückgaben und Lucy (unsere Nachbarin), sie dann fein mit den Anfangsbuchstaben (Name und Vorname) kennzeichnete, damit wir sie nicht zweimal bekamen.
    Als ich zur Schule ging, hatten wir eine kleine Bibliothek, die ich aber bereits in der 5. Klasse durchgelesen hatte und dann mit dem Austausch von Fotoromanen begann. Später dann Bergromane in deutsch (das war die Lieblingslektüre meiner Mutter, die nur sehr langsam lesen konnte, denn sie konnte ja nicht schreiben).

    Liebe Grüsse.

  2. Doris Horisberger

    liebe Rosmarie
    danke nochmals für den schönen Nachmittag mit dir. Das Eintauchen in eine, von mir aus beschauliche Zeit. Ich nehme Bezug zum Film über die Posamenter. Diese scheinbare stressfreie Umgang mit Zeit …. irgendwie besänftigend. Einen Museumsbesuch unternehme ich allerdings viel weniger als einen in die Bibliothek, respektive meine Bibliothek an meinem Arbeitsort. Hier verbringe ich gelegentlich doch gerne viel Zeit um in Büchern zu schmökern und oder eben auch nur (Pausenzeit) bei einem feinen Café Latte in einer Zeitschrift zu blättern
    bis bald Glattauer ruft.
    lg Doris

  3. Heidi Monnerat

    Liebe Rosemarie,
    Mein ältestes Enkelkind, Ariane ist am 23.April, amTag des Buches zur Welt gekomen und drei Tage später war sie auch schon Mitglied der Bibliothek Wettingen. Heute ist sie sechs und ich bemühe mich am Ball zu bleiben um herauszuhören was meine Enkelin gerade interessiert, das kann ganz schnell wechseln und ich entdecke nebenher viel Neues.
    Die Idee einer Bibliothek die ich vor vielen Jahren in Rom entdeckt habe, lässt mich nicht mehr los. Ein Lokal wo Bibliothek, Ludothek und ein Café integriert waren und das Beste: am Sonntag geöffnet! So eine Begegnungsstätte für die ganze Familie würden meiner Meinung nach eine Gemeinde mehr bereichern als ein weiterer Lebensmittelshop der am Sonntag offen ist.
    Ich selber lese kaum mehr Bücher, da dies mit einer Brille nicht mehr so entspannend ist wie früher. Dafür lasse ich mir Vorlesen. In diesen Feien habe ich André und meinen Vater dazu motiviert mit mir zusammen Otto Sanders Lesung: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson zu hören. Es gefällt uns -und wie! jeden Abend nach dem Nachtessen freuen wir uns auf die skurile, humorvolle Geschichtenstunde. Könnte eine neue Gewohnheit werden, für Enkel, Grosseltern und Urgrosseltern. Liebe Grüsse Heidi

    1. Rosemarie Beitragsautor

      Hallo zusammen
      Vielen Dank euch allen für die inspirierenden Kommentare. Obwohl ich meine Texte gerne schreibe, würde ich bald damit aufhören, wenn ich nicht Rückmeldungen und weiterführende Gedanken schriftlich oder auch mündlich von euch bekommen würde. Zum Beispiel die Idee von Heidi, die sie in Rom kennengelernt hat, ist einfach super: Begegnungsort Bibliothek, Ludothek, Café! Das würde mir auch gefallen.
      Einen schönen Abend euch allen (trotz sinkendem Eurokurs)
      Rosemarie

  4. Matthias Künzi

    Ja, liebe Rosie, lesen macht Spass, ist entspannend, bildend und oft auch unterhaltend. Wenn du willst, verrate ich dir meinen Lieblingsautoren … Romano Guardini !!! Er war katholischer Theologe, und vor allem RELIGIONSPHILOSOPH. Einzigartig bei ihm ist die Kombination zwischen glasklarem Denken und einer wunderbaren Herzenswärme. Eben heute habe ich eine Biografie über ihn gekauft: „Romano Guardini – Konturen des Lebens und Spuren des Denkens“ von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (topos taschenbücher). Unübertroffen von Guardini sind die „Lebensalter“ und die „Tugenden“. Fröhliches Neues Jahr weiterhin 🙂 🙂 🙂 Matthias

  5. barbara

    Oh Du Glückliche!

    Meine Urgrosseltern kannte ich gar nicht. Und von den Grosseltern lebten beide Grossväter und mein Grossmuetti. Es ist schon toll, wenn man so auf die Wurzeln zurück schauen kann. Vieles wird einem klarer, auch wenn man die Bilder anschaut.
    Ich habe viele gute Erinnerungen, wie ich mit meinem Grossmuetti die alten Fotos angeschaut habe und bedaure es, dass ich mir da keine Notizen gemacht habe und die Fotos gesichert habe, als das Grossmuetti ins Altersheim ging.

    Und Bücher: soifz. Es gibt fast nichts schöneres als Bücher 😉

    Danke für Deinen Beitrag, Rosemarie

  6. Moni Müller

    Liebe Rosemarie

    ich kann behaupten, dass die Bibliothek Wettingen mein zweites Wohnzimmer ist. Seit dem sie da so eine tolle Polstergruppe habe, fühle ich mich noch heimeliger. Ohne Bibliothek wäre mein Leben längst nicht so bunt. Heute grade habe ich mit meinem Schatz einen DVD-Nachmittag gemacht. Echt toll, dass man sich so viele Bücher und Filme auf einmal ausleihen kann. Und dass ich nebenan wohne ist für mich ein wahrer Luxus, wenn ich sehe, von wie weit andere Kunden anreisen, um sich was auszuleihen.
    Mit alten Bücher und historischen Romanen habe ich es nicht so. Ich glaube „Der Medicus“, war mein einziger Roman aus früheren Zeiten. Meine Kindheitserinnerungen fange ich eher mit gewissen Filmenein. Wie „Pippi Langstrumpf“, „Die kleine Farm“, „Dick und Doof, „Dornenvögel“, „Charlie Chaplin“ und viele anderen mehr. Ja, ich bin häufig beim Regal für Jugendfilme und auch Hörbücher anzutreffen. Da kann ich sehr wohl in früheren Zeiten schwelgen.
    Auch mit meiner kleinen Nichte Leila habe ich die Kinderecke der Bibliothek schon mehrmals besucht. Früher (klingt bei einer 3-Jährigen lustig, wie ich finde), hat sie selber in den Kinderbüchern geschmöckert und sich über die vielen bunten Bilder erfreut. Heute möchte sie viel lieber Bücher mit Buchstaben, wie sie sie liebevoll nennt, ausleihen, sich auf meinem Sofa an mich herankuscheln und die Geschichten von mir vorlesen lassen. Das tue ich selbstverständlich jeden Dienstag mit viel Freude, wenn ich die Kleine hüte.
    Auch finde ich es ganz toll, dass ich ihr jetzt meine alten Geschichten aus meiner Kindheit erzählen darf.
    Wie gesagt ist mir die Bibliothek Wettingen schon fast so vertraut, wie mein eigenes Wohnzimmer.

    Vielen Dank liebe Rosemarie für den tollen Blog. Du schreibst wirklich sehr gut. Ich werde sehr bald wieder mal hier reinschauen und auch die älteren Beiträge mit Gwunder lesen.

    Liebe Grüsse und einen wunderschönen Sonntagabend noch, Moni

  7. Monika Neidhart

    Liebe Rosmarie,
    zuerst einmal herzlichen Dank für Deine Buchtipps. Ich bin immer gespannt, was als nächstes kommt…..
    Damals oder wie es früher war – das beschäftigt uns im Moment auch, und wie!
    Wir müssen das Haus meiner Schwiegereltern räumen. Immer wieder finden wir alte Fotos und dann geht es los mit (bei Felix muss ich noch konkretisieren): Weisst du, das war als… oder: sieh mal wie die aussahen… oder: wer ist das denn…usw.
    Für mich ist es eine schöne Erfahrung. Sie bringt mich meinen Schwiegereltern, mit denen ich eine sehr nahe Beziehung hatte, noch ein Stück näher, obwohl sie nun in der Anderswelt leben. Das ist doch ein Stück Unsterblichkeit und es ist für uns noch lebende unheimlich tröstlich.
    Ich wünsche Dir eine erfüllende Woche und lieben Grüsse
    Monika

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