Unzufriedenheit

Ich bin unzufrieden. Jetzt ist es schon ein Jahr her, dass wir das erste Mal in den Lockdown gingen. Es gibt viele Menschen, die mir nahestehen und wichtig sind, die ich seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Dazu gehören auch unsere Verwandten in Deutschland. Wer hätte gedacht, dass es wieder einmal so schwierig werden könnte, eine Grenze zu überqueren. Ich vermisse das sorglose nahe Zusammensein mit anderen Menschen. Einfach in einem Café oder Restaurant abmachen und plaudern. Das habe ich jahrelang für selbstverständlich genommen.

Ich vermute stark, dass ich im Jetzt viele schöne Momente verpasse, weil ich in negativen Gedankenmustern gefangen bin. Da rennt eine unzufriedene Maus in meinen Gedankengängen herum und findet einfach den Ausgang nicht in die Freiheit.

Woran kann ich mich denn im Jetzt noch freuen? Wofür bin ich wirklich dankbar?

  1. Über die Natur. Wenn ich eine Frühlingsblume entdecke flippe ich aus vor Begeisterung. Ich staune über die verschiedenartigen Vögel und höre ihre Rufe. Jeden Tag bin ich ergriffen über die Farben des Himmels.
  2. Über Postkarten. Es gibt mir ein gutes Gefühl eine Postkarten-Königin zu sein, denn dieser Status wurde mir kürzlich verliehen. Ich schreibe, sammle, sortiere, tausche, kaufe, verschenke, gestalte, dekoriere, bekomme, lese Postkarten. Ich beschäftige mich einige Stunden pro Tag damit. Es ist meine Verbindung in die weite Welt zusammen mit dem Internet. Vor kurzem habe ich mit einer Chinesin in Australien gechattet und eine Tausendschönkarte getauscht. Nebenbei hat sie mir noch ein paar Fotos von der Art Gallery of New South Wales in Sidney geschickt, weil sie kürzlich da war. Bis die beiden Tausendschönkarten die Reise auf einen anderen Kontinent hinter sich haben, dauert es wohl eine Weile. Ich bin allen Postangestellten auf der ganzen Welt sehr dankbar, dass sie gute Arbeit leisten (auch wenn uns unser Pöstler jeden Tag bis am späteren Nachmittag auf die Post warten lässt – Geduldstraining!)
  3. Über Arbeit mit den Händen. Ich koche und putze und haushalte viel lieber als früher. Ich kann mir Zeit nehmen, muss nicht hetzen und habe etwas Sinnvolles zu tun. Wenn ich nicht gestresst bin, hilft auch Christian viel lieber mit. Im Moment stricke ich bunte Socken mit Wolle vom Fadenspiel in Mellingen.
  4. Über Radio, Filme und Bücher. Zum Kochen höre ich oft Radio, sonntags immer «Musik für einen Gast» um 12.30 Uhr auf SRF 2. Heute war es wieder hochspannend mit Max Hubacher, einem jungen Schauspieler, der zum Beispiel im Film Verdingbub gespielt hat. Im neuen Film «Monte Verità» spielt er den Wiener Psychologen Otto Gross. Ich war schon mehrmals auf dem Monte Verità bei Ascona und möchte den Film unbedingt sehen. Doch der Film kann erst rauskommen, wenn die Kinos wieder offen sind. Ich sehe mir auch oft ältere Filme an. Mein absoluter Lieblingsfilm im Moment ist «Pane e Tulipani». Ich habe ihn mir mehrmals angeschaut und es ist, wie wenn ich in Venedig wäre. Im Moment reise ich in Filmen und in Büchern. Der Roman von Jenny Colgan «Wo dich das Leben anlächelt» hat mir auch Freude gemacht. Er spielt in Schottland am Loch Ness. Die Gegend wird wunderbar beschrieben und ich fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, wo Christian und ich mit Rucksack und Railticket diese Gegend erkundet haben.

Ich werde diese Dankbarkeits-Liste noch fortsetzen, denn ich merke, dass ich schon beim Schreiben wieder zufriedener werde. Es gibt ja auch die Idee vom Dankbarkeits-Tagebuch, wo man sich abends 5 Minuten Zeit nimmt und sich überlegt, wofür man am heutigen Tag dankbar war. Wenn es einen guten Zeitpunkt gibt, sowas für mich anzufangen, dann ist es definitiv HEUTE

Ich bin auch interessiert zu erfahren, wie es euch geht, was euch Energie gibt und wofür ihr dankbar seid.

Ich wünsche euch schon jetzt frohe Ostern und beglücke euch im Bild mit meiner Osterpostkarten-Galerie. Haltet die Ohren steif!

6 Gedanken zu „Unzufriedenheit

  1. Doris Horisberger

    liebe Rosmarie
    das Thema Dankbarkeit ist mit auch wichtig. wenn ich morgens erwache und mich trübe Gedanken heimsuchen. Wenn sich dann die Sonne ins Zimmer drängt stehe ich schon mal gesonnt auf. Die fehlenden Treffen mit lieben Verwandten, Freunden auch mit dir liebe Rosmarie machen mir schon Mühe. würde mich gerne wieder mal so ganz unbekümmert mit jemandem Treffen. Andererseits, ich schaue die Tagesschau und sehe die schwierigen Situationen in kriegerischen Auseinandersetzungen finde ich mich in komfortabler Situation.
    Also ich freue mich auf lockere Zeiten schon ganz bald.
    ganz liebe Grüsse
    Doris

  2. Margrit Friedli

    Liebe Rosmarie
    Danke herzlich für deine Gedanken und die fröhliche Osterkarten Galerie.
    Deine Unzufriedenheit kann ich gut nachfühlen. Manchmal fühle ich mich wie gelähmt und ohne Energie. Ich freue mich auch auf die Zeit, wo man sich wieder ohne Sorgen ,einfach so begegnen kann.
    Dankbar sein für all das was immer noch möglich ist, kann wirklich helfen und gibt wieder Zufriedenheit und neue Kraft. Ich wünsche dir viele Glücksmomente und danke dir für dein Mitteilen.
    Liebe Grüsse
    Margrit

  3. Veronika

    Liebe Rosemarie

    Eigentlich sollte man auch einfach mal unzufrieden sein dürfen. Der gegenwärtige Zustand ja nicht zum Jubeln. Solange es kein Dauerzustand wird, und du auf der anderen Seite noch Dinge findest, die dich zufrieden machen, ist gegen einen Unzufriedenheitsschub gar nichts auszusetzen. Wie ich heute im Glücks-Online-Kongress erfahren habe, ist das Unterdrücken von Emotionen viel schlimmer.
    Also rausfinden, was genau dich denn unzufrieden macht und wie sich das in dir drinnen anfühlt (z. B. Schwere, Ohnmacht, Druck, Wut usw.), dann akzeptieren, dass das auch sein darf, und dann gehe man ohne Widerstand durch diese Emotion. Denn Widerstand mache das Leiden nur grösser.

    Muss ich beim nächsten unguten Gefühl auch ausprobieren. Kann ich auch noch nicht.
    Aber das Sammeln von Glücksmomenten und den Fokus auf die Dankbarkeit zu richten ist auch immer richtig.

    Ganz liebe Grüsse nach Mellingen. Veronika

  4. Wilhelm Hanna

    Liebe Rosmarie,
    ich danke dir herzlich für deine offenen Gedanken und dein Erzählen über dein Ergehen. Da kann ich dir aus vollem Herzen zustimmen, denn auch ich kämpfe immer wieder in der jetzigen Zeit gegen die Unzufriedenheit.
    Danke für deine wertvolle und schöne Überleitung zum Schauen, was uns gut tun kann und wie vielfältig dies zu entdecken ist, wenn wir aufmerksam sind!
    Liebe Grüsse und behüet dich Gott,
    Hanna

  5. Gabriela Egloff

    Liebe Rosle
    Deine Gedanken, so klar und wohltuend schön formuliert, tun mir echt gut. DANKE.
    Bis wieder
    Gabriela

  6. Therese Richner

    Liebe Rosemarie
    Danke für dein Anteilgeben. Ich kann deine Gedankengänge voll nachvollziehen. Mir geht es ähnlich. Ich habe auch ein Buch gelesen: Tausend Geschenke von Ann Voskamp. Ihre Empfehlung ist es, innerhalb eines Jahres 1000 Sachen aufzuschreiben für die wir dankbar sind. Das gibt pro Tag ca. 3 Dinge. Das ist ein interessantes Experiment. Indem man den Vokus auf das legt, was einen dankbar macht, rückt das Negative in den Hintergrund.
    Alles Liebe Therese

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