VHS

Christian und ich waren noch nie in unserem Leben so intensiv zu Hause wie die letzten zwei Jahre. 2020 haben wir alle unsere Reisen abgesagt und 2021 haben wir gar keine Reisen mehr geplant. Wir gehen in der Umgebung spazieren und kennen bald jeden Baum und jeden Stein. Ganz entsetzt haben wir gestern festgestellt, dass viele Bäume im Mellinger Wald gefällt wurden. Ob das wirklich sein musste? Jeden Abend schauen wir uns bewusst den Himmel mit all seinen Farben und Grauschattierungen an und das gibt uns ein Gefühl der Weite. Mittagessen kochen macht uns Freude. Wir kochen nicht kompliziert und gourmet-artig aber sozusagen «ff» fein und frisch. Wir versuchen, keinen Foodwaste zu produzieren. Wir unterstützen auch die Organisation «Tischlein deck dich», die im letzten Jahr 5182 Tonnen einwandfreie Lebensmittel für Armutsbetroffene gerettet hat.

Trotz intensivem zu Hause sein haben wir letzthin mit Freunden abgemacht und wollten uns die Ausstellung Camille Pissarro im Kunstmuseum Basel anschauen. Aber zwei Tage vorher fing mein rechtes Knie zu schmerzen an, ich konnte kaum mehr gehen und musste absagen. Das Knie wurde behandelt und jetzt geht es wieder. Und jetzt bin ich wild entschlossen die beiden angekündigten Ausstellungen von zwei Malerinnen in meinen beiden Lieblingsmuseen zu besuchen. Ich freue mich auf die Ausstellung in der Fondation Beyeler von GEORGIA O’KEEFE 23.1.-22.5.2022 und im Zentrum Paul Klee von GABRIELE MÜNTER vom 29.1.-8.5.2022!

Momentan ist eine unserer hauptsächlichen Tätigkeiten Entrümpeln. Das wird unsere Aufmerksamkeit noch länger in Anspruch nehmen. Ihr glaubt nicht, was sich in einem grossen Haus alles verstecken lässt. Ich bin immer ganz glücklich, wenn ich Sachen noch weitergeben kann und nicht entsorgen muss. Im Moment schauen wir alle unsere Filme durch. Wir haben noch ganz viele VHS Filme, die natürlich keiner mehr will. Christian überspielt die besten Filme auf DVD. Es ist uns klar, dass wir auch mit DVD total veraltet sind. Heute streamt man vor allem auf Netflix. Wir geniessen es, viele alte Filme anzuschauen. Am letzten Freitag haben wir Yentl gesehen. Ein toller Film mit Barbra Streisand. Wir haben auch Filme mit uns als Hauptdarsteller entdeckt: mein 40. Geburtstag (1997) und im Helikopter über Maui (1998).

Das war schon ein besonderes Erlebnis, den Film von meinem 40. Geburtstag wieder zu sehen. Ganz viele Personen im Film leben nicht mehr. Andererseits sind Kinder drauf, die jetzt auch schon bald 40 sind und selber Kinder haben.  Die Zeit läuft und wir verändern uns. Aber je älter ich werde, desto mehr spüre ich auch die Unvergänglichkeit der Seelen. Mein Innerstes ist seit der Geburt dasselbe geblieben und trägt mich durch das Leben. Wir sind mit allen Menschen und dem Universum verbunden. Zu diesem Fazit kommt auch der deutsche Komiker und Autor Hape Kerkeling am Schluss des Buches und Filmes «Der Junge muss an die frische Luft», den wir gestern gesehen haben.

Hape Kerkeling war auf dem Jakobsweg und sein Buch und der Film «Ich bin dann mal weg» sind auch sehr bekannt. Ich lese immer wieder gerne Bücher über das Pilgern. Ein ganz spannendes und humorvolles Buch über monatelanges Wandern habe ich kürzlich gelesen und kann es sehr empfehlen. Rebecca Maria Salentin ist auf dem Weg der Freundschaft von Eisenach nach Budapest gewandert. Das Buch heisst Klub Drushba (Freundschaft auf russisch). Diesen Klub gründete sie zusammen mit ihren Freundinnen und Freunden, die sie in irgendeiner Form auf dem Weg begleiten.

Ich danke allen, die auch mich auf kürzeren oder längeren Strecken begleiten und mir immer wieder neue Inspiration und Hoffnung geben. Eine Pilgerwanderung traue ich mir nicht zu, aber sind wir nicht alle auf dem Lebensweg?

4 Gedanken zu „VHS

  1. Petra Bitterli

    Liebe Rosemarie

    Ich fühle mich sehr verbunden mit dir, nachdem ich diesen Blogbeitrag gelesen habe. So vieles sprichst du an, was in meinem Leben eine ganz besondere Bedeutung hat.

    Yentl zum Beispiel. Der Film hat mich durch meine sehr einsame Teenie-Zeit getragen. Ich habe den Film sicher achtmal im Kino gesehen. Bin alleine nach Bern gefahren und in einem fast leeren Kino gesessen. Das Filmplakat hing bis zu meinem Auszug in meinem Zimmer. Im Gegensatz zu meiner Schwester hingen bei mir ausschliesslich Frauen an der Wand. Jetzt ist mir klar, wieso. Damals wusste ich es vielleicht ganz im Innersten, aber nie bewusst. Yentl war so viel für mich: unglaublich schöne Musik, eine starke Frau, die studiert, weil sie weiss, dass sie es kann und will, obwohl Frauen das Studieren in ihrer Kultur verboten war, und die Möglichkeit, dass zwei Frauen eine Beziehung leben können, obwohl Yentl ja als Mann verkleidet war, aber trotzdem… Mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich «Papa can you here me» höre. Ich konnte alle Lieder auswendig. Wie auch viele andere von Barbra Streisand. Klar, war sie eine der Frauen, in die ich verliebt war.

    Und wie unglaublich, dass ihr beide 1998 mit dem Helikopter über Maui geflogen seid! Im Herbst 1998 endete das Post-Doc-Jahr von Beat in Edmonton, Kanada. Das Auslandjahr haben wir im Herbst 98 mit einer längeren Reise abgeschlossen. Wir sind mit dem Auto von Edmonton im Landesinneren bis hinunter nach San Diego und an der Küste entlang wieder zurück nach Kanada gefahren. Und zum Abschluss haben wir Ferien auf Hawaii verbracht, haben drei Inseln besucht. Und sind mit dem Helikopter über den Vulkan geflogen, haben gesehen, wie die Lava ins Meer floss. Ein unglaubliches Erlebnis. Und noch viel unglaublicher, dass ihr im gleichen Jahr das Gleiche erlebt habt!

    Auch Georgia O’Keeffe bedeutet mir viel. Im Winter 2003/04 zeigte das Kunsthaus Zürich ihre Bilder. Mit einer Freundin besuchte ich die Ausstellung. Die Bilder berührten mich sehr. Sie haben etwas unglaublich Weibliches. Ein Bild von ihr kommt deshalb auch in meinem Roman vor :). Danach sassen wir noch am See. Es war eine Zeit, in der es mir sehr schlecht ging. Vielleicht waren es die Bilder, die mir den Mut gaben, darüber zu sprechen. Etwas, das mir sehr schwerfiel oder auch noch fällt, darüber zu sprechen, wie es mir wirklich geht. Ich war der vollen Überzeugung, dass meine Kinder ohne mich besser dran wären. Dass es nur einen Ausweg gab aus diesem bodenlosen, schwarzen Loch, in das ich unaufhörlich fiel. Diesem unendlichen Schmerz, der mich auffrass, hinter dem die reale Welt unendlich weit weg und wie hinter einer Glasscheibe schien – unerreichbar. Zum Glück hatte meine Freundin Erfahrungen mit einem depressiven Vater und zwang mich, ihr zu versprechen, dass ich mir nichts antue und meinem Therapeuten erzähle, wie schlecht es mir ging. Georgia O’Keeffe und meine Freundin haben mir das Leben gerettet. Ich bin ihr unendlich dankbar dafür. Und darum werde ich unbedingt in die Ausstellung in der Fondation Beyeler gehen. Und ich brauche auch dringend wieder Menschen um mich, Inspiration, Atmen, Sehen, Hören – und zwar etwas anderes als meine vier Wände.

    Mich fasziniert das Weitwandern auch sehr. Dank dir verfolge ich die Wanderungen von Christine Thürmer. Ich traue es mir aber auch nicht zu. Manchmal traue ich mir nicht einmal den Spaziergang im Wald zu. Wahrscheinlich, weil der Sog des Loches wieder stärker spürbar ist. Weil alles da draussen gefährlich, unsicher, unberechenbar ist. Hier zuhause ist es sicher. Hier fühle ich mich wohl. Aber ich verliere das Vertrauen in mich, in meine Körper. Dabei hätte ich direkt im Nachbardorf einen ganz wunderbaren Weg. In Safenwil gibt es nämlich den Atemweg (www.atemweg.ch). Auf 4.2 oder 6.8 km geht man von Posten zu Posten, an denen man Atemübungen machen kann. Vor einem Jahr habe ich den Weg alleine gemacht. Und ich war am Ende so voller Energie, wie lange nicht mehr. Der Weg führt an verschiedenen Kraftorten vorbei, jedenfalls habe ich das so empfunden. Wenn es dein Knie zulässt, wäre es sehr schöne, den Weg mit dir und Veronika einmal zu gehen. Wenn’s etwas wärmer ist, damit wir die Liegebänke mit der schönen Aussicht auch geniessen können.

    In der Zwischenzeit wünsche ich dir viele Momente mit weitem Horizont und euch innige Moment zu zweit.

    Herzlich, Petra

  2. Doris Steiner

    Hoi Rosemarie
    ja, das Weitwandern hat seinen Reiz, das haben wir auch in Nepal auf den mehrtägigen Treks erlebt. Immer weiter, immer weiter….. entdecken, was hinter jener Ecke oder hinter diesen Hügeln und Bergen kommt!
    Aber es geht auch nur tageweise…es ist immer spannend, zu sehen, was alles am Wegesrand zu finden ist!

    Diese zwei Ausstellungen habe ich auch noch auf der to doo- Liste! Und dann auch noch die Ausstellung „Let’s talk about Mountains“ im Alpinen Museum in Bern. Ein Filmteam des Museums bereiste 2018/19 die gebirgige koreanische Halbinsel, es ist eine filmische Annäherung an Nordkorea.

    So gibt es sehr viel zu entdecken, sei es in der Natur oder kulturell in Städten etc. Da muss man nicht weit gehen!

    Wünsche dir und euch noch viele schöne und amüsante Film/Heimkinostunden und viel Freude in der Natur und bei anderen Unternehmungen!

    villi Grüess

    Doris

  3. Veronika Koch

    Liebe Rosemarie

    Ist es nicht erstaunlich, wie viel mehr man in seinem Zuhause wohnen kann? Wir alle hatten ja vorher schon das Gefühl, zu wohnen, aber erst seit dieser Krise bewohnen wir unser Heim doch wirklich. Plötzlich kommen wir in Ecken, die wir selten beachtet haben. Oder kommen auf neue Ideen in Sachen Einrichten oder Entrümpeln. Ich finde es irgendwie auch toll, denn jetzt nutzen wir unseren Wohnraum erst so richtig.

    Ich habe mich am Sonntag selbst überrascht, indem ich völlig spontan ein Sonnensitzplätzchen auf unserem oberen Balkon eingerichtet habe. Das Haus visavis wirft in diesem Monat noch einen grossen Schatten, und auf unserem unteren Balkon, wo wir Tisch und Stühle haben, verschwindet die Sonne schnell. Ich habe keine Ahnung, warum ich nicht schon eher auf die Idee gekommen bin, ein Stockwerk weiter oben ein Bistrotischchen und zwei Stühle aufzustellen, wo die Sonne um einiges länger zu sehen ist. Aber ich habe mich echt selbst über meine neues, sehr einfach zu verwirklichendes Sonnenanbeter-Eckchen gefreut.

    Und auch die direkte Umgebung wissen doch viele doch auch erst durch den Zwang, zu Hause bleiben zu müssen, wirklich zu schätzen. Dabei beinhaltet auch sie Freiheit. Ich finde es wunderschön, dass ihr zwei euren Wald so intensiv erlebt und auch die Weite des Himmels so bewusst wahrnehmt. Denn damit holt ihr sie auch in euch hinein. – Ihr habt aber auch einen herrlichen Blick in den Himmel von eurem Zuhause aus.

    Ich habe das Buch von Hape Kerkeling auch gelesen und mich fasziniert das Thema einer Fernwanderung ebenso. Für mich müsste es gar nicht Santiago de Compostelo sein. Aber ich möchte es irgendwann einmal schaffen, eine weitere Strecke von A nach B zu überwinden. Da meine Beine in letzter Zeit etwas schwierig tun, habe ich mir statt eine grosse Distanz eine Flusswanderung (der Thur entlang) in einzelnen Etappen vorgenommen. Habe aber, wenn ich ehrlich bin, erst eine absolviert. – Naja, was nicht ist, kann ja noch werden …
    Und du hast wirklich recht, eigentlich sind wir jeden Tag unterwegs. Und kommen auf unserem eigenen Weg voran.

    Ich habe gerade auch ein faszinierendes Buch gelesen. Es heisst «Schön, dass es dich gibt» von Laura Malina Seiler. Die Autorin ist überzeugt, dass wir, indem wir Liebe und Dankbarkeit leben, wieder Energie mit der gleichen Frequenz anziehen. Und dass wir Menschen mit einer so kreativen Schöpferkraft ausgestattet sind, dass wir uns unser Wunschleben erschaffen können, wenn wir auf diese Kraft vertrauen und auch wissen, was wir eigentlich wollen. Ich finde ihre Schlussfolgerungen genial und habe schon ein paar Mal diese Anziehungskraft der gleich schwingenden Energie erfahren.
    Sie geht auch davon aus, dass wir, wie alles und alle auf der Welt, aus dem gleichen Material sind und darum eins. Und ich finde es eine sehr schöne Vorstellung, mit allem vernetzt zu sein und dadurch gehalten zu werden.

    Liebe Rosemarie, geniesse die kommenden Ausstellungen deiner geschätzten Malerinnen und schwelge in Kreativität. Sie ist so ein wichtiger Bestandteil unseres Seins.

    Alles, alles Liebe für euch zwei. Veronika

  4. Hanna Wilhelm

    Liebe Rosemarie
    Herzlichen Dank für Deinen Bloog, den ich meinerseits mit vielen Erinnerungen gelesen habe. Viele Filme und Bücher, natürlich vom Jakobsweg sind mir bekannt und ich finde diese ansprechend und toll, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir u.a. den ganzen Jakobsweg von Basel nach Santiago des Compostella gelaufen sind.
    Es ist so wertvoll, wie ihr in der Natur unterwegs seid und viele schöne Dinge entdeckt und beobachtet, die es in Gottes schöner Natur zu sehen und zu hören gibt und immer auch neue Kraft schenken!
    Ich wünsche dir und Christian eine gesegnete und gute Zeit!
    Liebe Grüsse, Hanna

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